Arbeitslos – das kann mitunter schneller gehen, als man denkt, und auch den treffen, der glaubt: „Mir passiert das nicht." Zwei Betroffene erzählen ihre Geschichte und was beziehungsweise wer ihnen in dieser Situation geholfen hat, den Glauben daran, dass sich die Dinge wieder zum Guten wenden, nicht zu verlieren. Ein wichtiger Rückhalt: die kirchlichen Arbeitslosenprojekte, die unter anderem aus dem Erlös der am Wochenende stattfindenden Solikollekte finanziert werden.
Werner Wilfling hat sein Team gut im Griff. Mit Strenge, aber auch mit ebensoviel Herz für seine Mitarbeiter leitet der 62-Jährige seit 2009 das Gebrauchtwarenkaufhaus „Patchwork" in Herzogenrath- Merkstein, eines der Projekte des Fördervereins Arbeit, Umwelt und Kultur. Zurzeit sind das 34 Mitarbeiter Stammbesetzung, sechs in vom Jobcenter geförderten Stellen und sechs Flüchtlinge, dazu seine beiden Kolleginnen, Martina Bredohl, die das Nähprojekt leitet, und Sozialarbeiterin Marion Nobis- Schmachtenberg. Was ihm dabei hilft: Werner Wilfling kennt die Situation seiner Mitarbeiter aus eigener Erfahrung.
„Ich habe immer in Powerjobs gearbeitet", berichtet er. Gelernt hat er „im ersten Leben" Krankenpfleger. Doch damit habe sich nicht genug verdienen lassen, um eine Familie zu gründen. Also sattelte er um auf den kaufmännischen Bereich, wird Verkaufsfahrer im Tabakhandel und beliefert bundesweit Flughäfen und Bahnhöfe. Ein Job, der viel Einsatz fordert, aber den er mit Erfolg und Herzblut tut.
„1990 habe ich mich dann mit einem Lottogeschäft in Aachen und Zigarettenautomaten selbstständig gemacht. Der Blödsinn hat richtig Geld gekostet", erzählt er. Zunächst eine Investition, die sich auszahlt, doch dann zieht Westlotto mit einer Annahmestelle in den Supermarkt gegenüber. Der hat einen Parkplatz, sein Laden nicht. 2006 platzt der Traum, Werner Wilfling muss die Segel streichen, verliert die Lottolizenz und eine Menge Geld. Mit Anfang 50 ist er plötzlich arbeitslos. In einem Alter, in dem es schwierig wird, wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das sei schon hart gewesen, alles zu verlieren, gesteht er. Doch er ist einer, der die Dinge anpackt, immer vollen Einsatz zeigt. Über eine Maßnahme des Jobcenters kommt er 2009 zum neu eröffneten Gebrauchtwarenkaufhaus „Patchwork", wo er zunächst im Außendienst tätig ist. Schnell erkennt der Vorstand des Trägervereins, was er an dem Kaufmann hat. Als seine geförderte Stelle zu Ende geht, bietet er Werner Wilfling eine Festanstellung und die Kaufhausleitung an. Ein Glücksfall für beide Seiten, denn in der Erfolgsstory des „Patchwork" (eine hohe Vermittlungsquote und gute Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, Bestnoten bei der Betriebsprüfung und ein guter Name, sowohl bei den Menschen, die Möbel und Hausrat spenden, als auch bei denen, die bei ihnen kaufen) steckt ganz viel Werner Wilfling: Einsatzbereitschaft (die ihm Anfang 2017 sogar einen Burnout einträgt), kaufmännisches Geschick und die Fähigkeit, seine Mitarbeiter zu Top-Leistungen anzuspornen. „Es gibt Chancen, auch in einer miesen Situation, wenn man sich anstrengt. Das versuche ich all unseren Teilnehmern vorzuleben. Ich habe auch als Leiter immer alles gegeben, bin in all den Jahren nie zu spät gekommen und habe immer auf ein gepflegtes Äußeres geachtet", erklärt er. Er sei bestimmend, achte darauf, dass die Spielregeln eingehalten würden, aber er reiche auch jedem die Hand. Seine Devise: fordern, aber auch fördern. „Ich freue mich jedes Mal riesig, wenn ich sehe, dass einer es schafft."
Er selbst hatte Menschen, die an ihn geglaubt und ihm vertraut haben, was ganz wichtig sei, um aus der Arbeitslosigkeit heraus wieder eine Perspektive und neuen Boden unter den Füßen zu finden. Allen voran war das Wilfried Hammers, bürgerschaftlich engagierter Vorsitzender des Vereins Arbeit, Umwelt und Kultur. „Er unterstützt mich und ich ihn, auch wenn ich manche seiner Ideen als Kaufmann nur mit schwerem Herzen mittrage, aber wir können uns aufeinander verlassen", unterstreicht Werner Wilfling. Ebenso wichtig seien familiärer Rückhalt und/oder soziale Kontakte. Letzteres biete den Teilnehmern und Mitarbeitern des „Patchwork" auch das gute und menschliche Miteinander, das hier herrsche. „Zu unserer Aufgabe gehört es, Menschen zu helfen, egal wer und warum jemand Hilfe braucht."
Wie schnell der Weg von ganz oben nach ganz unten gehen kann, musste auch Gerd Johnen vor einigen Jahren schmerzlich erfahren. Beruflich hätte es kaum besser für ihn laufen können. Der gelernte KFZ-Mechaniker und Bürokaufmann war im Bereich Messebau selbstständig. Die Auftragslage war trotz harter Konkurrenz gut, 40-bis 50-Stunden-Wochen keine Seltenheit. Gerd Johnen kam rum, hatte Aufträge in ganz Deutschland, Frankreich und Italien. „Doch dann hat mein Körper gestreikt, schwerer Bandscheibenvorfall", erzählt der 52-Jährige. Die dadurch entstehenden Ausfallzeiten kann er schnell nicht mehr kompensieren, er muss den Job aufgeben, wird arbeitslos. Eine Belastung, der auch seine Ehe langfristig nicht standhält. Er zieht mit einem seiner drei Kinder in eine kleinere Wohnung. Weil ihm dazu noch ein paar Einrichtungsgegenstände fehlen, führt ihn der Weg ins Möbellager des Arbeitslosenzentrums „AHA100", Teil der Sozialprojekte der Gemeinde Christus unser Bruder Aachen Nord e. V. in Haaren.
Die Wende: Hier trifft er einen alten Bekannten, der ihm von einer freien Stelle als Fahrer erzählt. Über eine Maßnahme zur Wiedereingliederung des Jobcenters kommt sein neues Leben „ins Rollen". Das war 2009. Seitdem arbeitet Gerd Johnen über verschiedene Maßnahmen bei „AHA100", holt und bringt Möbel, hilft,
wo er kann, und wird zum „Mann für alle Fälle", wie er lächelnd sagt. Heute ist er für die Sichtung der angebotenen Möbel und Hausratspenden zuständig.
„Die Stelle hat mir geholfen, körperlich und seelisch wieder klar zu kommen. Man braucht etwas zu tun, einen geregelten Tagesablauf und soziale Kontakte", sagt er. All das und mehr findet er bei „AHA100" in Leiterin Karin Linzenich, die ihn von Anfang an unterstützt hat, und in den Kollegen, Menschen in ähnlicher Situation wie er. Über das Projekt und seine Anbindung an die Kirchengemeinde hat er auch dorthin den Weg wieder zurückgefunden, Kirche von ihrer sozialen Seite kennen- und schätzengelernt. „Ich war immer gläubig, aber eher für mich, wie viele", sagt Gerd Johnen. Bis er selbst in die Situation gekommen sei, habe er wenig über Projekte wie „AHA100" gewusst, wie weit gefächert deren Arbeit sei und wie wichtig. „Hier bekommt jeder die Zeit, die er braucht, und man gibt aufeinander acht", sagt Gerd Johnen.
Die Arbeit, bei der er mit vielen Menschen in Kontakt kommt, die Möglichkeit, ihnen direkt zu helfen, all das macht ihm Spaß und befriedigt ihn. Das große Geld sei nicht alles im Leben. Auch privat hat sich sein Leben in den letzten Jahren wieder zum Guten gewendet, er ist zum zweiten Mal verheiratet, hat einen weiteren Sohn bekommen und einen guten Kontakt zu seinen anderen drei Kindern und seiner Exfrau. Ein Wermutstropfen bleibt: „Dass meine Stelle immer nur befristet ist, das ist unbefriedigend und müsste nicht sein." Er hofft auf eine feste Stelle – man dürfe halt auch da nicht den Glauben verlieren.
Mehr zur Solidaritätskollekte, zu geförderten Projekten und zur kirchlichen Arbeitslosenarbeit: www.solidaritaetskollekte.de