Wenn der Lohn der Arbeit nicht reicht

KAB-Beratungsstelle hilft auch Menschen, die aufstocken müssen

Erika Lieber
Datum:
Di. 6. Mai 2014
Wer Geld verdient, kann für seinen Lebensunterhalt selbst sorgen. Das galt jedenfalls mal. Inzwischen ist das nicht mehr immer so. Die Zahl der Erwerbstätigen, die zusätzlich zu ihrem Lohn Leistungen beim Jobcenter beantragen müssen, ist seit 2005 kontinuierlich angestiegen.
KIZ-Bericht (c) KirchenZeitung im Bistum Aachen

Vor zwei Jahren zählte der Deutsche Gewerkschaftsbund bereits rund 1,3 Millionen „Aufstocker“.

Auch die Aachenerin Susan Schymura
stockt seit 2012 auf. Die alleinerziehende Mutter von zwei Kindern (13 und 9 Jahre) arbeitet 20 Stunden die Woche im Frühstücks-
Serrvice eines Aachener First-Class- Hotels. Um die 700,– Euro netto bleiben ihr monatlich zum Leben – zu wenig mit zwei schulpflichtigen Kindern. Etwa noch einmal so viel erhält sie als Unterstützung vom Jobcenter dazu. Susan Schymura ist ausgebildete Hotelfachfrau, hat immer gearbeitet. Erst als die Kinder kamen, trat sie beruflich kürzer. Sie selbst sagt:„Ich hätte
nicht gedacht, dass ich mal Kunde im Jobcenter würde.“

Die Sorgen begannen nach der Scheidung im Jahr 2005. Bis heute verweigert ihr Ex-Mann, mit dem sich Susan Schymura das Sorgerecht teilt, jegliche Unterhaltszahlungen für die Kinder. Das ist auch mit ein Grund, warum sie seit knapp drei Jahren Kundin beim Jobcenter ist. Der Gang zum Jobcenter ist nicht leicht gefallen Der Schritt dorthin fiel Susan Schymura nicht leicht: „Ich hatte zu Beginn große Angst. Ich hatte ja schon viel gehört, was da so abläuft.“ Doch zunächst lief alles ganz gut. Bis der Ex-Mann wieder ins Spiel kam. Weil sich die beiden das Sorgerecht teilen und die Kinder auch einige Wochenenden im Jahr bei ihrem Vater verbringen, kürzt das Jobcenter die Unterstützung für Susan Schymura. „Temporäre Bedarfsgemeinschaft“ heißt das im rechtlichen
Jargon. Sie legte Widerspruch ein, bekam eigentlich recht, musste aber dennoch die Kürzungen hinnehmen.

„Das ist kein Einzelfall“, weiß Erika Lieber von der KAB-Beratungsstelle für arbeitssuchende Menschen. Sie bearbeitet Susan Schymuras Fall seit drei Jahren und versteht nicht, warum sich das Amt die Kosten für den Vater von der Mutter zurückholt: „Im Gesetz steht nirgendwo, dass das Geld für den Mann von der Frau abzuziehen ist.“ Auch, dass bei den zuständigen Ämtern so wenig Interesse für die Einkommensverhältnisse des Vaters zu bestehen scheint, wundert sie. Da er in Maastricht lebt und arbeitet, fühlen sich die deutschen Ämter nicht zuständig. „Die zuständigen Sachbearbeiter vom Jugendamt schicken mich zum Jobcenter
und umgekehrt“, erzählt Susan Schymura. Auch das kennt Erika Lieber: „Die Ämter schieben sich die Kunden zu. Aber nirgendwo
gibt es konkrete Hilfe.“

Susan Schymura suchte Rat bei Erika Lieber, weil die Behördengänge Zeit und Nerven kosteten. „Für jede Kleinigkeit muss man sich rechtfertigen. Der Ton dieser Anschreiben ist schon zermürbend, auch, wenn beteuert wird, dass sei elektronisch so vorformuliert. Und meistens erreichen einen diese Anschreiben erst zum Wochenende, sodass man erst einmal gar nichts mehr unternehmen kann“, erzählt sie. Wie im im Fall ihres Umzugs, weg aus einem sozialen Brennpunkt in eine sicherere Umgebung. „Das hat ein Riesentheater gegeben, obwohl die neue Wohnung sogar günstiger ist als die alte.“ Oder bei zusätzlichen Leistungen für die Kinder. Die sieht das Gesetz eigentlich sogar vor. Für Schulmittel gibt es eine Pauschale von 100,– Euro im Jahr, auch Kosten für Klassenfahrten werden übernommen. Doch bei einigen Leistungen muss Susan Schymura das Geld erst einmal vorstrecken, wie beim Mittagessen, und monatliche Nachweise erbringen, dann bekommt sie eine Rückerstattung.

Susan Schymura ärgert dieses Verhalten seitens des Jobcenters. „Es wird unterstellt, dass das Geld nicht dafür genutzt wird, wofür es gedacht ist.“ Das ärgert auch Erika Lieber: „Schlechte Erfahrungen führen zu diesem aberwitzigen Bürokratismus. Am Ende leiden nur die Kinder darunter.“

Beruflicher Neuanfang als Ausweg aus dem Aufstocken

Für Susan Schymura, die sich in ihrer Freizeit für den Verband alleinerziehender Väter und Mütter in Aachen engagiert, ist das Aufstocken keine Dauerlösung. Sie sucht nach einem Ausweg, doch das ist nicht einfach. „Vielen Bekannten, die einen Zweitjob angenommen haben, ergeht es nicht besser als mir.“ Denn der Nebenjob erspart vielleicht den Gang zum Amt, führt letzten Endes aber nicht aus der finanziellen Bedürftigkeit heraus.

Susan Schymura möchte sich beruflich umorientieren. „Langfristig bietet das Hotelgewerbe für mich als alleinerziehende Mutter keine Möglichkeit, mich beruflich oder finanziell zu verbessern. Für die nächsten zehn Jahre wäre ich an die Halbtagsarbeit gebunden. Was das für meine Altersvorsoge bedeutet, daran möchte ich lieber nicht denken.“ Sie möchte noch einmal studieren. Sie hat sich an der Katholischen Hochschule für den Kompaktstudiengang „Soziale Arbeit“ beworben, den sie nebenberuflich absolvieren kann. „Danach möchte ich gerne in die Familienhilfe gehen“, erzählt Susan Schymura.

Der Berufswunsch habe sich aus ihrer eigenen Situation und aus den Erfahrungen, die sie bei der Arbeit für den Verband gesammelt hat, ergeben. Geht alles gut, kann sie im Herbst mit dem Studium beginnen. Viel Kraft wird sie für den Neuanfang brauchen. Denn die derzeitigen Probleme stellen nach wie vor eine Belastung dar. Und sie will weiterhin viel Zeit für ihre
Kinder haben. Aber Susan Schymura ist sich sicher, dass sie das schafft.

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